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HISTORIE

(aus dem Froistecker-Journal zur 75-jährigen Jubiläumskampagne 2024/2025)

Wir schreiben das Jahr 1950. In Deutschland werden die ARD, das Technische Hilfswerk und die Deutsche Bundespost gegründet – die CDU wählt auf ihrem ersten Parteitag Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Vorsitzenden. In Silverstone startet die erste Formel-1-Weltmeisterschaft –Hugo Egon Balder, Stevie Wonder, Thomas Gottschalk, Iris Berben und Paola Felix werden geboren. Und in Nidda geschieht etwas, ohne das sie diesen Text nicht lesen würden.

 

Dort, wo heute an den tollen Tagen, die Niddaer Prinzenpaare durch den Kreisel an der ARAL-Tankstelle um den Froistecker-Brunnen „kreiseln“, trafen sich 1950 in der Gaststätte „Karlshof“ ganze 31 fastnachtsbegeisterte Niddaer um einen Karnevalverein zu gründen. Fastnacht war für die anwesenden Männer keineswegs Neuland. Viele von ihnen engagierten sich bereits nach Ende des 2. Weltkrieges im Turnverein oder Sportclub und organisierten getrennt voneinander Sitzungen und Maskenbälle. Verantwortlich waren bei Turnverein Paul Paff – beim Sportclub Otto Klös und Franz Müth.

 

Jetzt wollte man zusammenarbeiten und schloss sich zur „Vereinigung der Niddaer Froistecker“ zusammen. Zum Präsidenten wählte man Paul Pfaff, Franz Müth wurde sein Stellvertreter und Otto Klös Programmchef. In der Kampagne 1950/51 fanden erste gemeinsame Veranstaltungen statt und am 4. Februar 1951 bewegte sich der erste Fastnachtszug seit 1906 wieder durch die Niddaer Straßen. Das Prinzenpaar – Kurt Schmid und Inge Ringshausen – wurde am Bahnhof empfangen. Die Teilnahme der Bevölkerung am Empfang der Tollitäten war sehr dürftig und der neue Ruf „HÄI DOU“ erschreckte fast die wenigen Zuschauer. Davon ließen sich die Verantwortlichen aber nicht unterkriegen.

 

Am 16. Januar 1952 beantragte die Vereinigung beim Amtsgericht Nidda den Verein mit dem neuen Namen „Niddaer Carneval Verein – Die Näirer Froistecker“ einzutragen.

 

Die anfängliche Zurückhaltung der Besucher änderte sich schlagartig als der NCV im Jahr 1956 Unterstützung von der Kölner Karnevalsgesellschaft „KG Alt-Köllen 1883“ bekam. Gemeinsam mit den Karnevalisten vom Rhein hielten die NCV-ler eine Sitzung in der völlig überfüllten Niddaer Turnhalle ab – mehrere hundert Menschen empfingen die Kölner auf dem Marktplatz. Von da an entwickelte sich der NCV zum führenden Karnevalverein in ganz Oberhessen. Das führte unter anderem dazu, dass der Hessische Rundfunk jahrelang eine Niddaer Sitzung am Rosenmontagabend im Fernsehen übertrug. Auch der NCV wurde schließlich zum Gründungspaten – 1957 wurde unter der Patenschaft des Niddaer Carneval Vereins die „Gießener Fassenachts-Vereinigung gegründet. Auch mit der GFV hielt man Anschluss gemeinsame Sitzungen ab. Seinen damaligen Höhepunkt erreichte der NCV schließlich Ende der 50er-Jahre, als rund 20.000 Menschen pro Kampagne, per Bus, Bahn oder Auto nach Nidda strömten, um bei den Sitzungen dabei zu sein.

 

Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen und viel Wasser die Nidda hinabgeflossen. Aber auch heute – 75 Jahre nach seiner Gründung – ist der Niddaer Karnevalverein eine fastnachtliche Institution in der Region und über die Stadtgrenzen hinaus für sein karnevalistischen Tun bekannt. Nachdem der Verein nach den goldenen Jahren Mitte des letzten Jahrhunderts eine Zeit lang hauptsächlich für sich selbst und die Stadt Nidda agiert hat, ist es in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren gelungen, den NCV wieder stärker zu vernetzen. So bestehen mittlerweile zahlreiche enge Freundschaften zu anderen Karnevalsvereinen aus Oberhessen und darüber hinaus. Mehrmals pro Kampagne reisen zahlreiche Tollitäten nach Nidda, um mit den Froisteckern die närrische Zeit zu begehen.

 

Freilich war und ist auch nicht immer alles Gold was glänzt – und so hat sich spätestens seit der Jahrtausendwende vieles im Karneval und damit auch im NCV verändert. Liebgewonnen Traditionsveranstaltungen sind aus dem närrischen Terminplan verschwunden, weil sie schlicht und einfach nicht mehr funktioniert haben. Dafür sind neue Formate entstanden und haben sich etabliert – möglicherweise, weil sie einfach zeitgemäßer sind. Denn auch das Publikum hat sich verändert. Die Zahl der konservativen Traditionskarnevalisten ist gesunken. Manch einer behauptet, man habe mittlerweile eine ganze Generation ehemaliger Karnevalisten verloren. Gleichzeitig hat die jüngere Generation inzwischen eine neue Form der Fastnacht etabliert – weniger Prunksitzung mehr Party. Stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen vor 25 bzw. 50 Jahren, schon genau dasselbe gesagt haben?! Gut vorstellbar. Denn wie sagte der griechische Philosoph Heraklit schon rund 500 Jahre v. Chr.: Nichts ist so beständig wie der Wandel.

 

Dass der Niddaer Carneval Verein auch noch heute – 75 Jahre nach der Gründung – immer noch eine bedeutende Rolle in der hessischen Fastnachtslandschaft spielt, zeigt aber, dass es dem NCV gelungen ist, diesen Wandel mitzugehen, sich ihm anzupassen oder sogar ihn für sich zu nutzen. Und darauf kann der Verein stolz sein. Allein dass es bis heute gelingt, ohne Ausnahme alle Programmpunkte der Doktorensitzung aus den eigenen Reihen zu stellen, ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal – dank seiner zahlreichen Aktiven aus mittlerweile rund fünf Generationen. Und daher sind sich die Autoren dieses Heftes sicher: Sollte sich die Welt normal weiterdrehen. Wird der Niddaer Carneval Verein auch noch sein 100-jähriges Jubiläum feiern können. Wir sind schon jetzt gespannt, wie man dann im Jahr 2050 auf heute zurückblickt.

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